Messe, Top-Story: 30.09.2005

IBC2005: Mehr von Allem

Welche Themen sind in der Branche virulent? Was wurde während der IBC2005 besonders stark diskutiert? Wie positionieren sich die Hersteller? Fragen wie diese behandelt der Trendreport. (Ausführliche PDF-Version mit mehr Bildern und Zusatzinfos steht am Textende zum Download bereit.)

Ganz ohne Zweifel deckt die IBC mittlerweile ein so breites Spektrum von Themen und Interessensgebieten ab, dass man kein wirklich allgemeingültiges Resümee mehr ziehen kann: zu breit divergieren mittlerweile die von der Ausstellung und der Konferenz abgedeckten Felder. Je nachdem, wen man befragt, wird man deshalb am Ende mit einer ganz unterschiedlichen Highlight-Liste dastehen.
Wenn man sich aber von der reinen Produktebene löst, werden doch einige Themen deutlich, die während der IBC2005 über das Normalmaß hinausragten. Es lohnt sich, dann im nächsten Schritt an diesen Stellen wieder etwas tiefer zu gehen. Weil aber die technischen Verflechtungen in der Branche immer enger werden, ist eine scharfe Trennung nicht mehr möglich und auch nicht mehr sinnvoll. Deshalb lesen Sie im Folgenden das Wichtigste von der IBC aus Akquisition, Postproduktion und Distribution.

Multiformat-Welt
Mehr unterschiedliche Formate gab es in der Branche noch nie: unterschiedlichste Speichermedien, Dateiformate. Kompressionsverfahren, Datenraten und Raster kommen in Akquisition, Postproduktion und Distribution zum Einsatz. Das wirft Fragen und Probleme auf, die sowohl den aktuellen Betrieb wie auch die Archivierung betreffen.
Letztlich geht es doch um den Content: Man will Bilder und Töne im Original und/oder fertige Produktionen so vorliegen haben, dass man sie jederzeit wieder abspielen, nutzen und verwerten kann. Wenn nun ein unübersehbarer Wust von ganz unterschiedlichen Trägern und Datenformaten Realität wird, dann bringt das eigentlich nur Probleme. Sich auf ein einheitliches, durchgängiges Format festzulegen, das ist aber heutzutage in der Praxis kaum mehr möglich: Die meisten scheitern mit diesem Ansatz schon in der eigenen Facility – von einem firmenübergreifenden oder branchenweiten Ansatz ganz zu schweigen. Zu den Legacy-Formaten, die man aus der Vergangenheit ohnehin schon im Haus hat, kommen nun noch zahlreiche neue Varianten hinzu. Und wie geht die Branche damit um? Das Problem wird weitgehend ignoriert.
Zwar bemühen sich etwa die klassischen Broadcast-Hersteller auf Druck ihrer Kunden darum, eine gewisse Kompatibilität herzustellen: Von Sony etwa gibt es Recorder, die fast alle Formate, die es auf der 1/2-Zoll-Beta-Kassette gibt, zumindest abspielen können. Aber spätestens mit dem Wechsel zur Disc bei Sony, zum Festspeicher bei Panasonic und zu beidem bei Grass Valley, ist diese Geschichte zu Ende und es wird ein neues Kapitel aufgeschlagen. Man habe aber bei diesem Schritt immerhin die File-Kompatibilität erhalten, heißt es dann, aber diese Behauptung trifft bei näherer Betrachtung oft nur teilweise zu und sie geht auch zumindest teilweise an den Praxisproblemen vorbei.
Selbst MXF, ein File-Format, das immerhin einen lobenswerten ersten Ansatz dafür bietet, dass man auf der Datenebene Material zwischen den Systemen verschiedener Hersteller austauschen kann, wird wohl in der Praxis nicht leisten können, was man sich davon erhofft hat: Wenn alles klar geregelt wäre und sich alle an die Vorgaben hielten, dann hätte es wohl kaum so lange dauern müssen, bis etwa P2 und XDCAM von Postproduction-Systemen verschiedener Hersteller unterstützt wurden.
Immer mehr NLE-Hersteller bieten als Ausweg an, dass in der gleichen Timeline Clips in unterschiedlichsten Formaten verarbeitet werden können. Das macht zwar das praktische Arbeiten mit diesen Systemen kurzfristig leichter — was zu begrüßen ist — löst das Problem aber auch nicht wirklich. Mittelfristig kann diese Hase-und-Igel-Situation ganz sicher nicht befriedigenden.
Dass immer mehr Konverter und Transcoder notwendig sind, um überhaupt noch vernünftig arbeiten zu können, das kann nicht der Weisheit letzter Ratschluss sein. Die Plagen der Multiformat-Welt sind aber nun mal aus Pandoras Büchse entschlüpft und in die Welt hinausgezogen, man wird sie also schwerlich wieder zurückzwingen können.
Was fehlt, ist ein universelles File-Format für die Archivierung: Ein Format, das die Daten in der jeweils maximal verfügbaren Qualitätstufe enthält und am Besten auch gleich noch den zugehörigen Software-Codec selbst, mit dem sich die Daten wieder in Bilder und Töne verwandeln lassen — oder zumindest Angaben über diesen Codec. Dieses Format gibt es nicht und seine Existenz wird vielleicht auch für immer ein Traum bleiben.
Was den Nutzern bleibt, ist der pragmatische Ansatz, den die meisten ohnehin schon seit Jahren praktizieren: Man wurstelt sich mit den Formaten in der Akquisition durch, um die man nicht herumkommt, versucht mit möglichst wenig Transcoding-Schritten durch die Postproduktion zu kommen und mastert am Ende auf das beste Format, das man sich leisten kann. Davon zieht man dann Kopien für verschiedene Zwecke und hofft, dass man noch rechtzeitig ans Umkopieren der wirklich erhaltenswerten Produktionen in ein anderes Format denkt, bevor es zu spät ist. Eigentlich traurig, aber so sieht nun mal die Realität aus.

Akquisitionsformate
Schon seit längerem hatte Grass Valley hin und wieder Hinweise darauf gegeben, dass man einen bandlosen Camcorder in der Entwicklung habe (siehe Report über Kameraabteilung in Breda). Nun stellte der Hersteller zur IBC2005 mit dem bandlosen Camcorder auch gleich noch ein für den Broadcast-Bereich neues Speichermedium vor: Der Camcorder und der Fieldrecorder, die Grass Valley als erste Geräte seiner neuen Infinity-Familie verstanden wissen will, arbeiten mit Wechselfestplatten aus der Rev-Produktfamilie von Iomega und mit Speicherchips im CompactFlash-Format (CF).
CF-Karten kennt man besonders aus der digitalen Fotografie. Statt wie Panasonic bei P2 ein speziell konfiguriertes Festspeicher-Medium zu nutzen, setzt Grass Valley hier also auf einen weit verbreiteten Standard. CF-Karten sind derzeit mit maximal 4 GB Speicherkapazität im Handel erhältlich und kosten in dieser Speichergröße rund 300 Euro.
Das zweite bei Infinity verwendbare Speichermedium sind magnetische Disks im vielleicht noch nicht so bekannten Rev-Format von Iomega. Eine Rev-Disc kostet rund 60 Euro und fasst 35 GB Daten.
Die Infinity-Geräte von Grass Valley können mit der Rev-Disk arbeiten, aber auch mit der gemeinsam von Iomega und Grass Valley weiterentwickelten Rev Pro, die rund 70 Euro kosten soll. Rev-Pro-Discs und -Laufwerke sind laut Hersteller robuster, vibrationsfester und mit einem größeren Cache ausgestattet. Grass Valley selbst wird nur Rev Pro anbieten. Die Disk-Kapazität von 35 GB reicht für etwas mehr als 120 Minuten in DV-Qualität und für rund 45 Minuten in der von Grass Valley angestrebten maximalen Qualität von HD in JPEG-2000-Kompression mit 75 Mbps Videodatenrate. Als maximale Transferrate für die Disk gibt der Hersteller 110 Mbps an.
Keines der bei Infinity eingesetzten Medien ist ein Videomedium, es handelt sich um reine Datenspeichermedien. Dementsprechend sind Videoformat- und -kompressionsfragen bei der Infinity-Familie vollkommen vom Medium entkoppelt. Grass Valley will daher den Kunden die Entscheidung überlassen, in welchem Format sie arbeiten wollen. Der Hersteller kann verschiedenste Optionen anbieten: DVCAM, DVCPRO, MPEG-2 in SD und HD sowie JPEG2000 sollen prinzipiell möglich sein, einige davon erfordern allerdings die Ausstattung der Geräte mit Zusatz-Optionen. Grass Valley geht davon aus, dass die Integration von Infinity in NLE-Systeme rasch vonstatten gehen werde, weil man die Daten im MXF-Format speichere, das diese Systeme mittlerweile schon beherrschen. JPEG2000 dagegen, das gibt man Grass Valley zu, ist für die NLE-Hersteller eine Herausforderung, weil dieses wavelet-basierte Format völlig neu ist und anders arbeitet als die etablierten Kompressionsalgorithmen.
Der interne Datentransfer zwischen CF-Karte und Rev-Disk soll möglich sein. Dabei auch ein Transcoding im Gerät durchzuführen, das ist laut Grass Valley zwar denk- aber derzeit noch nicht realisierbar. Wäre das möglich, dann könnte man mit dem Camcorder in HD auf Rev drehen und parallel oder anschließend eine SD- oder Proxy-Video-Kopie auf CF erzeugen, die man dann etwa an einem Laptop schon vorschneiden könnte. So weit war das System aber zum Zeitpunkt der Vorstellung während der IBC2005 noch nicht entwickelt.
Apropos Bearbeitung: Rev ist ein Dual-Stream-Medium, Lesen und Schreiben sind unabhängig voneinander möglich: Das soll Vorteile gegenüber XDCAM bringen, wenn es um die Bearbeitung von Material direkt auf der Disc geht, wie sie etwa mit dem Fieldrecorder möglich sein soll.
Sony stellte zur IBC2005 konkrete Geräte im XDCAM-HD-Format vor und komplettiert damit aus eigener Sicht seine HD-Produktfamilie, die nun von HDV über XDCAM HD und HDCAM bis HDCAM SR reicht.
XDCAM HD, das jüngste Format in dieser Reihe, arbeitet mit der gleichen Disc wie die schon bekannte SD-Variante XDCAM und es soll sogar der Mischbetrieb möglich sein: SD- und HD-Files auf der gleichen Scheibe. Die Videodatenrate soll bei XDCAM HD in drei Stufen schaltbar sein: 18, 25 und 35 Mbps, wobei die Videosignale als MPEG-2-Long-GOP-Datenströme kodiert werden. In Zukunft sind dabei auch noch höhere Datenrate von 50 Mbps denkbar, ließ Sony durchblicken – schließlich erreicht die SD-Variante von XDCAM das mit MPEG-2 im I-Frame-Only-Modus schon heute.
MPEG-2-Long-GoP, das klingt nach HDV und in der niedrigsten Datenrate von XDCAM HD kämen sogar weniger Daten auf das Speichermedium, als das Consumer-Format zu bieten hat. Dennoch könne man von XDCAM HD auch bei niedriger Datenrate höhere Bildqualität erwarten als von HDV, ließen Sony-Mitarbeiter anklingen, schon allein weil der HD-Camcorder größere Bildsensoren habe und weil XDCAM HD nicht mit einer konstant fixierten Datenrate arbeite, wie das bei HDV der Fall ist.
Damit sind aber zwei weitere Aspekte angesprochen, die interessant sind: Die HDV-Camcorder von Sony arbeiten mit 1/3-Zoll-Bildwandlern, im XDCAM-HD-Camcorder PDW-F410P sollen dagegen 1/2-Zoll-CCDs zum Einsatz kommen. Damit steht der neue HD-Camcorder nicht in der direkten Tradition der bislang angebotenen XDCAM-Camcorder, denn die sind mit 2/3-Zoll-Sensoren bestückt. Die 1/2-Zoll-HD-Sensoren des PDW-F410P erfordern auch neue Objektive, von denen Canon zur IBC2005 ein erstes vorstellte.
Zweiter Aspekt von XDCAM HD: Die Datenströme/ Files dieses Formats sind nicht direkt mit HDV kompatibel, es muss transcodiert werden, wenn man vom einen ins andere Format gehen will. Es soll aber durchaus Sony-Geräte geben, in die diese Funktionalität integriert ist: einen XDCAM-HD-Recorder mit Firewire-Anschluss, an dem HDV-kompatible Daten eingespielt werden können, nannten Sony-Mitarbeiter in diesem Zusammenhang.
Der XDCAM-HD-Camcorder PDW-F410P soll zu Nettopreisen unter 20.000 Euro angeboten werden (ohne Objektiv), der Studiorecorder PDW-F30 soll 13.500 Euro kosten, die portable Einheit 9.500 Euro. Ab Frühjahr 2006 sollen die Geräte lieferbar sein.
Für sein nächsthöheres HD-Format HDCAM nannte Sony neue Zahlen: Weltweit sind demnach schon mehr als 20.000 Einheiten (Camcorder und Recorder) in den Formaten HDCAM und HDCAM SR im Markt, wobei der HDCAM-SR-Anteil 1.300 Einheiten beträgt. Dabei geht nach Angaben von Sony die Entwicklung am obersten Ende der Leistungspalette weiter: Vom portablen HDCAM-SR-Recorder SRW-1 wird im Rahmen des Genesis-Kamera-Projekts von Panavision eine Variante eingesetzt, die im neuen HQ-Modus 4:4:4-RGB-Bilder mit einer Nettodatenrate von 880 Mbps aufzeichnet.
Am unteren Ende der HD-Palette zeigte Sony die Profiversion des kleinen HDV-Camcorders HDR-HC1, den HVR-A1E. Zudem gab das Unternehmen einen Ausblick auf einen zukünftigen HDV-Recorder, der auch große Kassetten verarbeiten und ein leistungsfähiges Recorder-Laufwerk bieten soll.
Ikegami bietet für seinen bandlosen Camcorder Editcam zwei alternative Speichermedien an: Die seit langem etablierten, FieldPak genannten Wechselfestplatten werden neuerdings um die Option erweitert, ein FieldPak mit Festspeicher zu verwenden. Nach Ikegami-Angaben kaufen neue wie bestehende Kunden in der weit überwiegenden Mehrzahl weiterhin Festplatten, finden aber die Möglichkeit, Festspeicher einsetzen zu können, durchaus positiv.
Bei den Formaten hat Ikegami nun MXF voll integriert und damit die Kompatibilität zu anderen als Avid-NLEs deutlich verbessert. In puncto HD setzt Ikegami weiterhin in der HD-Editcam HDN-X10 auf den Avid-Codec DNxHD. Die mit diesem Codec und CMOS-Bildsensoren ausgestattete HD-Editcam soll ab der Jahreswende verfügbar sein.
Panasonic stellte zur IBC besonders den AG-HVX200 ins Zentrum und präsentierte am Stand mehrere funktionsfähige Geräte dieses Typs, von dem es noch zur NAB kaum mehr als Designmodelle gegeben hatte. Nach wie vor verweigert sich Panasonic dem Format HDV und strebt auch in der Klasse der kompakten Camcorder eine höhere Datenrate an, wenn es um HD geht: Der AG-HVX200 soll HD mit 100 Mbps auf P2-Karten aufzeichnen und zwar im Format DVCPROHD. Auf die Festpeicherkarte zusätzlich und auf Kassette ausschließlich, kann der Camcorder laut Hersteller in SD aufzeichnen.
Was zur NAB2005 noch ein Alleinstellungsmerkmal für Panasonic war, das haben zur IBC2005 die anderen Hersteller zumindest in Ankündigungen schon aufgegriffen: SD und HD im gleichen Gerät, auch in der Akquisition. Sony will das mit XDCAM HD bieten, Grass Valley mit Infinity und Panasonic zuerst im AG-HVX200 und später auch in weiteren P2-Camcordern.

Distributionsformate
AVC/H.264, MPEG-4, VC-1 (VC9/WM9): Das sind die Zauberworte, wenn es um die Verbreitung von AV-Signalen in der Zukunft geht. Man brauche neue Kompressionsverfahren und Codecs, um höhere Bildqualität mit niedrigen Datenraten effektiv zu verbinden — besonders im HD-Zeitalter: So die weit verbreitete, wahrscheinlich sogar vorherrschende Meinung. Tatsächlich gab es an vielen Ständen während der IBC2005 Produkte aus dem Distributionsbereich zu sehen, die schon mit den neuen Codecs arbeiten. Immer mehr davon haben auch schon das Stadium der Serienproduktion erreicht, oder stehen kurz davor.
Trotzdem gehen Experten davon aus, dass auch MPEG-2 in der Distribution noch lange weiterleben wird. So sagte etwa Phil Laven, der technische Direktor der EBU, in einer Podiumsdiskussion während der IBC2005, dass MPEG-4 aus seiner Sicht in Europa überwiegend ein HDTV-Thema sei: »Außer in Frankreich, wo es ein konkretes Vorhaben in dieser Richtung gibt, werden in Europa wohl kaum SD-Signale als MPEG-4-Datenströme übertragen werden.«
Für Deutschland trifft Lavens Aussage voll und ganz zu: Immer mehr Fernsehzuschauer gehen hierzulande zum digitalen Satelliten-Empfang über und kaufen dafür MPEG-2-Decoder, auch wenn das den meisten gar nicht klar sein dürfte. Die HD-Programme, die Premiere, ProSiebenSat.1 und andere ausstrahlen, nutzen aber MPEG-4 AVC als Kodierstandard, was beim Endkunden neben einem HD-tauglichen Display auch einen MPEG-4-Decoder erfordert.
Viele stellen sich derweil die Frage, ob die Verbreitung von MPEG-4 nicht auch Rückwirkungen auf den Produktionsbereich haben wird und zwar nicht nur bei Consumer-Camcordern und Handies: Auszuschließen ist das ganz sicher nicht.

HD und HDTV
Claims wie »HD is here« oder »HD for everyone« waren während der IBC2005 omnipräsent: Das ist an sich nichts Neues, rufen doch die Hersteller schon seit einigen Jahren, ständig den Wendepunkt bei der Einführung von HD aus. Der Unterschied zu den Vorjahren: 2005 ist auch aus deutscher Sicht einfach viel mehr dran an dieser Aussage.
So gaben im Umfeld der IBC2005 etliche Sender größere HD-Investitionen bekannt, und auch aus Deutschland gab es wichtige Investitionsmeldungen: So gehen etwa TV-Dienstleister wie TopVision (siehe Meldung), TVN (siehe Meldung), Wige (siehe Meldung) und Studio Berlin (siehe Meldung) mit aktuellen und konzipierten HD-Ü-Wagen den HD-Produktionsmarkt an, und Sender wie Premiere (siehe Meldung) und ProSiebenSat.1 (siehe Meldung) strahlen in Kürze ein kontinuierliches HDTV-Programm aus. Auch im Produktionsmarkt entscheiden sich mehr und mehr Kunden für HD-Produkte.
Dabei entwickelt sich das HDV-Format zum erfolgreichen HD-Einsteigerformat. Das zeigte ein Blick an den IBC-Stand von JVC, wo sehr großes Interesse am neuen HDV-Camcorder dieses Herstellers herrschte. Sony verkaufte laut eigenen Angaben zwischen November vergangenen Jahres und April 2005 rund 37.000 HD-Units. In Europa konnte Sony demnach seit Februar 9.000 HDV-Geräte verkaufen.
Das sind beeindruckende Zahlen, und nicht nur bei Sony geht man davon aus, dass die kleinen HDV-Camcorder zum wichtigen Wegbereiter für HDTV in Europa werden. Diese Argumentationskette ist bekannt und wird gern genannt: Wer in HDV aufzeichnet, will das Material auf dem entsprechenden Display ansehen – und erwartet diese Qualität in der Folge auch von den Fernsehsendern.
Avid-CEO David Krall glaubt, dass sich HDV dann massiv verbreiten wird und deutlich größere Marktanteile erringen kann, wenn es eine Möglichkeit für Consumer gibt, selbst HD-Content auf eine Scheibe zu brennen. Das sagte er jedenfalls während der IBC-Pressekonferenz zu diesem Thema. Und diese Prognose hat durchaus einiges für sich.
Mit Blu-ray Disc und HD-DVD stehen die Technologien dafür bereit, letztlich hängt es noch an Rechte- und Kopierschutzfragen, wann es hierbei richtig losgeht (mehr dazu weiter unten).
Aus der Sicht vieler Experten ist für den Erfolg von HDTV etwas wichtig, was Norman Green von der IBC als Chairman einer IBC-Session als »Wow-Faktor« auf den Punkt brachte. Diesen gelte es beim Consumer zu provozieren, dann werde das Bedürfnis nach HD-Bildern automatisch größer werden. Darin liegt ganz sicher viel Wahrheit, aber neben großen, bezahlbaren Displays ist dafür auch die Bereitschaft der Broadcaster entscheidend, geeignetes Bildmaterial mit einer vernünftigen Bildqualität (sprich Datenrate) zum Consumer zu übertragen. Große Displays erfordern gute, scharfe und brillante Bilder – SD-Bilder, womöglich noch in Mini-Bitraten-Übertragungsqualität auf einem großen HD-Schirm anzusehen, macht schlichtweg keine Spaß und kehrt den »Wow-Effekt« ins Gegenteil um.
Mehr als einmal konnte man während der Messe von Broadcastern, die schon HD-Erfahrung haben, einen weiteren Hinweis hören, den einer davon sogar so zuspitzte: »Der wichtigste Faktor um HDTV populär zu machen, ist Surround-Ton.« Denkt man mal darüber nach, was den Heimkino-Markt für die Consumer-Elektronik-Hersteller so interessant macht, mag man dieser Aussage zumindest nicht zur Gänze widersprechen.

Mobiler TV-Empfang
Im Schatten des Großthemas HD gab es während der Messe auch spannende Entwicklungen am anderen Ende der Qualitätsskala zu sehen. Einige Hersteller widmeten sich fast gänzlich der Übertragung digitaler Fernsehinhalte an mobile Endgeräte wie etwa Laptops, Bild-Handys oder PDAs. DVB-H und DMB sind die Namen der Technologien, die derzeit dafür genutzt werden und die auch während der IBC häufig fielen.
Während DVB-H speziell in Deutschland und in Europa diskutiert und getestet wird, scheint der asiatische Markt und hier speziell Korea eher eine Vorliebe für DMB zu entwickeln. Die USA reagieren derzeit insgesamt etwas zurückhaltender auf mobiles Fernsehen, während es in Europa und Asien durchaus ernsthaftes Interesse und auch erste Pilotprojekte gibt. Welche konkreten Applikationen stellen sich die Verfechter von DVB-H und DMB vor? Meist werden Nachrichten und Sport als mögliche Einsatzbereiche genannt. Geht es etwa nach T-Systems, werden sich im kommenden Jahr viele Zuschauer die entscheidenden Tore der Fußball-WM auf ihrem mobilen Empfangsgerät ansehen, wenn sie unterwegs sind. Bis es soweit kommt, müssen allerdings noch etliche technische Faktoren geklärt werden, denn so schön die Szenarien der neuen Bilderwelten klingen, so anspruchsvoll ist deren technische Umsetzung und die Etablierung funktionierender Ertragsmodelle.
Ganz generell teilen viele Broadcaster und Rechteinhaber die Auffassung, dass die Übertragung von Inhalten auf mobile Endgeräte ein interessanter Weg werden könnte, um Content zum Consumer zu bringen, gewissermaßen als vierte Kraft neben Kino, Fernsehen und PC. Das erklärt, weshalb die Hersteller und Dienstleister immer mehr Equipment und erweiterte Technologien präsentieren, mit denen sich TV-Inhalte für den mobilen Empfang generieren und im passenden Standard übertragen lassen.
Geht man von einer im Grunde klassischen Broadcast-Applikation aus, bei der von einem Content-Provider das selbe Programm zeitgleich parallel an viele Consumer mit mobilen Endgeräten übertragen wird, stellen sich aber einige Fragen, die etwa Phil Laven von der EBU so auf den Punkt bringt: Das derzeit für TV-Übertragung genutzte Frequenzband ist praktisch voll, zunehmend kommt zudem DVB-T auf. Wo also sollen die Frequenzen herkommen, mit denen DVB-H oder DMB übertragen wird? Aus Phil Lavens Sicht gibt es erst dann wieder neue Kapazitäten, wenn die analoge TV-Übertragung komplett abgeschaltet wird. In Deutschland etwa ist das für 2010 geplant, es könnte aber durchaus auch länger dauern.
Zudem stellt sich eine spannende technische Frage: Die Sendeanlagen für DVB-T sind heute so ausgelegt, dass man die Programme mit Haus- oder Zimmerantennen empfangen kann. Vergleichbar große Empfangsantennen sind aber bei mobilen Geräten im Handy-Format nicht realisierbar. Wollte man DVB-H also über die gleichen Sendeanlagen verbreiten wie DVB-T, müsste man die Sendeleistung deutlich anheben. Phil Laven nannte bei einer Podiumsdiskussion in diesem Zusammenhang Werte von +30 dB, was dem 1.000fachen entspricht. Das lässt sich ganz sicher aus vielerlei Aspekten heraus nicht so einfach realisieren und erfordert enorme Zusatzinvestitionen auf der Sendeseite: ein großes Hindernis für DVB-H.
Bei der Suche nach alternativen Netzen und Verbreitungswegen fällt der Blick natürlich auf den Mobilfunk, also die Handy-Netzbetreiber. Statt im klassischen Sinn zu »broadcasten« würde man also jeweils eine Punkt-zu-Punkt-Verbindung aufbauen, der Handy-Nutzer würde sich sein Programm entweder individuell »herunterladen« oder er würde sich mit einer Einzelverbindung in eine laufende Übertragung »einklinken«.
Ob UMTS ausreicht, um mit der bestehenden Infrastruktur an Mobilfunk-Sendeanlagen digitale Inhalte an viele Bildtelefonierer zu verteilen, die gleichzeitig darauf zugreifen wollen, bezweifelt Phil Laven. Ergo: Auch diese Netze müssten deutlich ausgebaut und verbessert werden.
Ohne ein wirklich ertragreiches, vielversprechendes Business-Modell werden wohl alle potenziellen Investoren davor zurückscheuen, zuerst einmal massive Infrastruktur aufzubauen. Dies stellt wohl den größten Knackpunkt bei der Verbreitung von Bewegtbildinhalten an mobile Empfangsgeräte dar.

1080p als Ziel?
Noch immer stehen HD in 1080i und 720p erst am Anfang einer größeren Marktverbreitung, aber schon werden noch höhere Auflösungen diskutiert, beschäftigen sich die Entwickler mit der nächsten Stufe der HD-Entwicklung – und das ist auch richtig so: Die Entwicklung wird bei 1080i nicht stehen bleiben und auch nicht bei 1080p, einem Format, das Vielen derzeit als besonders erstrebenswert erscheint. John Ive, Director Strategic Planning bei Sony Europe bringt das Thema auf den Punkt, wenn er zur Zukunft von HD sagt: »Aber so weit ist es noch nicht – HD wie wir es heute kennen, wird für viele Jahre der Standard sein.«
Aber auch wenn es in der Praxis für die meisten noch über viele Jahre keinerlei Rolle spielen wird, was nach 1080i und 720p kommt, lohnt sich ein Blick darauf was sich andeutet, was sich an Möglichkeiten auftut.
Darin, dass es in einer HD-Welt wünschenswert ist, auf lange Sicht progressive Bilder zu übertragen, herrscht seltene Einigkeit zwischen den meisten Broadcastern und Herstellern. Wie man allerdings den Weg dort hin gehen sollte, darüber gehen die Ansichten auseinander: das 720p-Lager will sofort den Schritt zur progressiven Bilddarstellung gehen und eventuell später mit mehr Zeilen aufstocken. Das 1080i-Lager sagt dagegen: Erst mehr Zeilen, dann progressive. Vielleicht kommt man tatsächlich bei progressiven Bildern mit 1.080 Zeilen zusammen, vielleicht auch nicht. Der japanische Staatssender NHK jedenfalls arbeitet schon an ersten Konzepten für »Ultra High Definition« mit ultimativem Surround-Sound.

Rechte und Kopierschutz
Es ist eines der großen Themen bei der Einführung von HDTV, aber auch eines, das künftig generell an Bedeutung gewinnen wird: Wie schützt man in einer digitalen Welt seinen Content? Welche Mechanismen gibt es, und für wen sind sie geeignet? Was kann etwa ein Sender tun, um seine Inhalte zu schützen? Welche Möglichkeiten hat der kleine Produzent, dafür zu sorgen, dass sein Material nicht illegal ausgewertet wird? Und welche Rolle spielt der Consumer in diesem Szenario, der in der HD-Welt theoretisch hochauflösendes Material empfangen, speichern und in allerbester Qualität weiter verbreiten kann? Das sind nur einige wenige Fragen, die aber klar machen, wie viele Facetten der Schutz des Contents in der digitalen Welt hat.
Ein Broadcaster hat wohl noch am ehesten die Kraft und auch die Mechanismen, um seine Inhalte zu schützen: In Zeiten, in denen für Sportrechte exorbitante Summen bezahlt werden, wird der Sender alles daran setzen müssen, diese teuer bezahlten Rechte selbst möglichst vielfältig auszuwerten und andere am illegalen Zugriff zu hindern. Für die interne Rechteverwaltung gibt es mittlerweile ausgefeilte Tools — illegale Re-Broadcasts und Distribution fremden Materials lassen sich aber leider nur mit aufwändigen Recherchen ermitteln. Ein großer Sender kann sich solche Mitarbeiter und Abteilungen noch am ehesten leisten und Verstöße gegen illegale Auswertungen verfolgen. Aber was tut der kleine Dienstleister, der sein digitales Material einmal verkauft und dann im besten Fall durch Zufall entdeckt, dass es beispielsweise von jemand anderem auch im Internet ausgewertet wird?
Hier greift das Thema Kopierschutz, das in der digitalen Welt allerdings nicht so leicht umzusetzen ist. Früher bestand der Kopierschutz meist darin, dass eine Kopie sowieso immer deutlich schlechter aussah als das Original und daher eine Vervielfältigung oder eine weitere Auswertung im großen Stil nicht oder nur mit Schwierigkeiten möglich war. Das ist heute anders — die Kopie kann so gut wie das Original aussehen.
Bei der breiten Masse der Consumer lässt sich das Problem noch am ehesten lösen: Hier haben die Hersteller der Endgeräte gemeinsam mit den Rechteinhabern Schnittstellen und Kopierschutzsysteme entwickelt, die unerwünschtes Kopieren seitens des Consumers verhindern sollen. Für den Content-Produzenten gibt es diese Möglichkeit nicht, er kann derzeit in vielen Fällen nur hoffen, dass sein Geschäftspartner das Material nicht illegal weiter verwertet.
Dieses Problem vervielfältigt sich mit den schon realen und geplanten neuen Verbreitungswegen Internet und Mobil-TV. Früher war es eine relativ klare Sache, wenn ein Broadcaster bestimmte Sportrechte für sein Sendegebiet kaufte. Heute kann es schwierig und unübersichtlich werden, wenn er seine Sendungen ganz oder teilweise auch im Internet anbietet: über Techniken wie Geo-Filterung versuchen die Broadcaster teilweise, Zugriffe von außerhalb ihres Rechtebereichs zu verhindern, aber gerade im Internet ist es schwierig bis unmöglich zu verhindern, dass die Inhalte weitergereicht werden.

D-Cinema: Gut, teuer und »schutzbedürftig«
Das Thema Digital Cinema stößt auf soviel Interesse, dass ihm die IBC seit einigen Jahren einen eigenen Bereich mit speziellen Screenings und Workshops widmet. In den Anfängen hatten die Screenings bei der IBC den Charakter von Prototypen-Präsentationen, doch mittlerweile ist die Projektions-Qualität so beeindruckend, dass selbst hartnäckige Digital-Cinema-Kritiker eingestehen, dass sie massentauglich ist. Die Gründe dafür, dass sich Digital-Cinema immer noch schwer tut, auf breiter Basis Einzug zu halten, sind andere: Für die Kinobetreiber ist die Investition in Digital-Equipment deutlich teurer als in klassische Filmprojektoren, hier sind andere Finanzierungsmodelle gefragt, etwa solche, bei denen die Verleiher, die hauptsächlich von D-Cinema profitieren, sich an den Kosten beteiligen.
Weiteres großes Problem: der Kopierschutz. Wenn Blockbuster via Satellit an die in Kinos bereitstehenden Server übertragen werden, heißt das, dass die Filme auch von potenziellen Schwarzkopierern in ihrer maximalen Qualität kopiert werden könnten. Das gilt es ebenso mit Verschlüsselungstechnologien zu erschweren, wie die Möglichkeit, dass ein unterbezahlter Vorführer oder ein Hacker das Material abzweigt, wenn es im Kino zwischen Servern und Projektoren verschickt wird.
Es sind in Wahrheit Fragen wie diese, die den D-Cinema-Markt bislang blockierten und weniger die Frage nach der Verfügbarkeit und dem Preis von Projektoren mit 2- oder 4K-Auflösung. Nun hat sich immerhin die Digital Cinema Initiative, in der Disney, Fox, Paramount, Sony Pictures Entertainment, Universal und Warner Bros. Studios zusammenarbeiten, auf technische Standards für die digitale Kinoprojektion geeinigt, was ein erster Schritt zur weiteren Verbreitung digitaler Kinos sein dürfte.

Downloads zum Artikel:

T_0905_IBC2005.pdf

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