Messe, Top-Story: 27.07.2005

Formate: Weniger Band, mehr Zeilen

Die bandlose Zukunft der Akquisition wird nach und nach Realität. Sony wie Panasonic zeigten zur NAB2005 umfassende Produktlinien, die teilweise auch schon etliche Monate bei Sendern wie Produktionsdienstleistern im Einsatz sind. Jetzt geht es den Herstellern darum, die aktuellen Produktlinien zu optimieren und auszubauen. Der dann geplante, nächste Schritt war ebenfalls schon Thema während der NAB2005: Nicht nur SD- sondern auch HD-Material auf die neuen Speichermedien zu schreiben – mit unterschiedlichen Technologien und im Rahmen verschiedener Strategien. Eine Bestandsaufnahme. (PDF-Download des Beitrags mit zusätzlichen Informationen am Ende des Textes.)

Die Zukunft ist bandlos – auch wenn dem Band wohl noch ein sehr langer Lebensabend beschieden sein dürfte. Dennoch: Hersteller und letztlich auch Anwender arbeiten kräftig an der Ablösung des über Jahre im TV-Wesen dominierenden Aufzeichnungsmediums durch bandlose Speichermedien. Die Anfänge sind auf der Akquisitionsseite wie auch in der Weiterverarbeitung des Materials und im Sendebetrieb gemacht.
Mit der Verfügbarkeit der ersten bandlosen Camcorder und Recorder wird es für die Hersteller nun immer einfacher, die Systemvorteile zu erklären und zu verdeutlichen. Und das hat Folgen: Die Liste der Sender, die bandlos arbeiten wächst. Sender wie der WDR und der BR setzen nun schon seit geraumer Zeit und in wachsendem Umfang XDCAM-Equipment ein. MDR, ZDF und Deutsche Welle setzen auf Panasonics P2-Equipment.
Wie stellt sich die Situation der bandlosen Produktion in Deutschland und Europa ganz konkret dar? Wie verbreitet sind die neuen Systeme? Wie geht es auf der Geräteseite weiter? Wo steht HD? Fragen, auf die es während der NAB2005 einige Antworten gab.

Sony XDCAM
Sony hat nach eigenen Angaben weltweit bis zur NAB2005 schon mehr als 6.000 Geräte aus der XDCAM-Produktfamilie ausgeliefert (zur Jahresmitte 2005 meldete Sony schon 7.000 verkaufte Geräte). Der Hersteller betont, dass mit XDCAM die erfolgreichste und schnellste Einführung eines neuen Broadcast-Systems gelungen sei, die Sony je vergönnt war. Insgesamt betonte Sony in seiner NAB-Pressekonferenz sehr stark die Kundenseite, präsentierte große amerikanische Anwender, die sich aber natürlich überwiegend zum Thema HD äußerten. Aber auch bei XDCAM konnte Sony jedoch neue Kunden nennen, oder bestehende, die zusätzliches Equipment orderten. Dazu zählen zahlreiche Sender, darunter WDR und BR aus Deutschland, NRK aus Norwegen, SIC aus Portugal, TSR aus der Schweiz, TVN aus Polen und LCB aus Frankreich.
Neben dem kompletten Line-Up an aktuellen XDCAM-Produkten gab Sony während der NAB2005 aber auch einen etwas konkreteren Ausblick auf die Zukunft: In einer Technologie-Demo wurde die Aufzeichnung und Wiedergabe von 1080i-HD-Signalen auf die Scheibe gezeigt: mit einem »Working Sample« des geplanten Camcorders.
XDCAM HD soll laut Hersteller mit MPEG-2 und Long-GOP arbeiten. Das klingt nach HDV, aber die Datenrate soll bei XDCAM HD höher liegen. Nähere Einzelheiten über den Einsatz von XDCAM als Plattform für die HD-Akquisition und -Produktion will Sony später in diesem Jahr bekannt geben. Dazu Olivier Bovis, Senior Marketing Manager Professional Solutions bei Sony Europe: »Wir erwarten, dass sich die große Bedeutung von XDCAM für die Broadcast-Prozesse von morgen weiter bestätigen wird. Die Reaktion unserer Kunden auf XDCAM ist schon heute phänomenal, und mit den Neuheiten zur diesjährigen NAB inklusive eines klaren Migrationspfads zu HD wird sich nach unserer Erwartung das Interesse noch erheblich verstärken.«
Neue XDCAM-Geräte: Im XDCAM-Format stellte Sony zur NAB2005 mit dem PDW-R1 die Recorder-Version des XDCAM-Players PDW-V1 vor. Aus Herstellersicht eignet sich dieser kompakte, portable Recorder optimal für den Einsatz bei Außenproduktionen. Eine massive Klappe schützt beim Transport die Bedienelemente und den Disk-Slot, in die Klappe sind ein Statusdisplay und ein LC-Display integriert. Neu ist auch die Disc-Cart-Maschine PDJ-C1080 für Ausspielung und Archivierung auf Basis von XDCAM-Scheiben. Das automatische Cart-System kann bis zu 80 Professional Discs aufnehmen und mit bis zu vier XDCAM-Decks bestückt werden. Weniger intensiv scheint man bei Sony das im Vorjahr als Prototyp gezeigte kompakte XDCAM-PC-Laufwerk zu verfolgen, das in diesem Jahr am Stand keine größere Rolle spielte.

Panasonic P2
In den USA gibt es laut Panasonic bislang 60 Fernsehsender, die sich für P2-Produktions-Equipment entschieden haben und die schon mit den neuen P2-Geräten arbeiten. Weltweit nennt Panasonic 150 TV-Sender als P2-Kunden, die laut Hersteller schon mehr als 2.000 Geräte in Betrieb haben, darunter ZDF und MDR aus Deutschland, SVT aus Schweden und Sogecable (CNN+) in Spanien (Stand: April 2005). Ganz generell betont Panasonic, dass die Resonanz der TV-Sender auf das P2-Konzept sehr positiv sei: Selbst wer skeptisch bleibe, zweifle nicht grundsätzlich an, dass Festspeicher das Aufnahmemedium der Zukunft sei.
Panasonic sieht sich entsprechend gut aufgestellt, nicht zuletzt deshalb, weil P2 für IT stehe und den Übergang zur IT-basierenden Produktionsstruktur nicht nur ermögliche, sondern unterstütze. Einen weiteren Aspekt betont Panasonic dabei: P2 sei im Grunde ein medienunabhängiges Konzept, weil die Daten nicht auf P2-Karten gespeichert werden müssen, sondern in jeglicher file-basierenden IT-Umgebung auf verschiedensten Medien gespeichert und weiter bearbeitet werden können.
Für den deutschen Markt besonders interessant sind natürlich die Deals mit dem MDR und der Deutschen Welle. Beide Sender wollen in aktuellen Bereichen die P2-Speicherkartentechnik einsetzen. DWTV in Berlin hat sich demnach im März 2005 für erste Tests mit dem P2-System von Panasonic entschieden, bekannt gegeben wurde der Deal jedoch erst zur NAB2005. »Zunächst wollen wir die neue Technik kennen lernen und sehen, welche Vorteile sich daraus für uns ergeben«, sagt Walter Grundauer, Leiter der Produktion bei DWTV. Die Politik-Redaktion übernimmt innerhalb des deutschen Auslandssenders die Vorreiterrolle, hier soll sich die Technik im Praxiseinsatz bewähren. Konkret sind im Einsatz: ein P2-Camcorder, ein P2-Recorder, ein P2-Laufwerk und 20 P2-Karten. »Dabei ist für uns eine einfache und direkte Anbindung an die Avid-Welt wichtig«, erläutert Produktionsleiter Grundauer eine der Randbedingungen des Praxistests. »Hier in Berlin steht uns ein Avid-Adrenaline-System zur Verfügung, in das wir die Daten von der P2-Card direkt einspielen werden.« Insbesondere gilt das Augenmerk des Produktionsleiters dem einfachen Handling – schließlich sollen die Redakteure ihre Beiträge selbst am Laptop sichten und schneiden können.
DWTV wird das P2-Equipment parallel zu vorhandenen, DV-basierenden Akquisitionslösungen einsetzen. DWTV ist für Panasonic kein neuer Kunde: Die Videojournalisten des Senders nutzen rund 20 Camcorder des Typs AG-DVX100, mit denen DWTV beispielsweise auch vom Tsunami-Unglück aus Südostasien berichtet hat.
Auch der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) gab zur NAB2005 eine Entscheidung im Zusammenhang mit P2 bekannt: Künftig will der Broadcaster in der Akquisition verstärkt die P2-Aufzeichnungstechnik von Panasonic einsetzen. Der MDR sammelt schon seit der IBC 2004 eigene Erfahrungen im Umgang mit der Speicherkartentechnik, in den kommenden Monaten sollen die Feldversuche mit P2-Camcordern intensiviert werden. Zu diesem Zweck orderte der MDR während der NAB2005 weitere P2-Speicherkarten. Der Sender plant im Vorfeld einer flächendeckenden Einführung der P2-Technologie die Optimierung seiner Workflows.
Horst Remberg, Leiter des Geschäftsbereiches Produktion beim MDR, betont: »Die P2-Technologie bietet umfangreiche Optimierungspotenziale in den Betriebsabläufen. Dies bedeutet die Ablösung von bandbasierenden Aufzeichnungen im EB-Bereich, die in ihrer Konsequenz nicht nur die Reduzierung von Bandkosten, sondern auch Einsparungen im Wartungsaufwand für Bandlaufwerke zur Folge haben. Die Erschließung des Einsparpotenzials setzt eine nahtlose Integration des P2-File-Formates in die netzwerkbasierende Produktionskette des MDR voraus.«
Neue P2-Geräte: Mit dem AG-HVX200 präsentierte Panasonic zur NAB2005 den Prototypen eines multifunktionalen Camcorders. Er bietet SD– und HD-Aufzeichnung in einem Gerät, kann DV auf Band und zusätzlich DV, DVCPRO, DVCPRO50 und DVCPROHD auf P2-Speicherkarten aufzeichnen. Der Camcorder soll Ende 2005 verfügbar sein, deshalb stehen auch nicht alle Details endgültig fest, es können sich noch Änderungen ergeben. Ein zweites Produkt, das den Übergang in die bandlose Ära vereinfachen und beschleunigen sowie gleichzeitig einen möglichen Engpass beim Arbeiten mit P2-Karten beseitigen soll, zeigte der Hersteller mit dem AJ-PCS060. Das ist ein kompakter, simpel zu bedienender Festplattenrecorder: P2-Card reinstecken, Knopf drücken, dann werden die Daten von der Karte auf die integrierte Festplatte übertragen. Das Ganze soll 1.750 Euro kosten, eine 4-GB-Karte kann in vier Minuten überspielt werden. Neu ist auch der Camcorder AJ-SPC700, eine etwas vereinfachte, abgespeckte Version des schon verfügbaren P2-Camcorders AJ-SPC800. Dem 700er fehlt etwa der progressive Aufnahmemodus, er kostet aber dafür auch um rund 10.000 Euro weniger.

Sony: HDV, HDCAM, HDCAM SR
Wie stellt sich die Situation im HD-Bereich dar? Sony reklamiert hier für sein HDCAM-Format die Führungsposition und meldet große Erfolge bei etlichen europäischen Broadcastern. »Der Launch der HD-Ausstrahlung steht bei vielen europäischen Sendeanstalten kurz bevor. Sony nimmt hier eine Schlüsselrolle als strategischer Partner ein, der bei der Umsetzung der HD-Pläne umfassende Unterstützung bieten kann«, fasst Ian Collins, Vice President Product Marketing bei Sony Europe die Sicht des Unternehmens zusammen.
HDCAM ist aus der Hersteller-Perspektive für die Bedürfnisse der Broadcaster bei der Produktion von Fernsehprogrammen optimiert. HDCAM SR deckt dagegen die Anforderungen von Werbe- und Kinoproduktionen ab. HDV sieht Sony als Format für Programmmacher mit begrenzten Budgets. »Viele Programmschaffende wissen zu schätzen, dass HDCAM und HDV nahtlos mit ihrer bestehenden SD-Infrastruktur zusammenarbeiten«, glaubt Ian Collins. »Und da die Preise für HDCAM-Geräte nun mit denen für Digital Betacam vergleichbar sind, ist der optimale Zeitpunkt für europäische Broadcaster gekommen, die HD-Migration gemeinsam mit Sony anzugehen.«
Als Beleg für diese Aussagen nennt Sony Kunden wie BBC Outside Broadcast, TF1 aus Frankreich und Danish Radio (DR).
Einen weiteren wichtigen Kunden konnte Sony während der Messe bekannt geben: Der britische Pay-TV-Anbieter BSkyB investiert in HDCAM- und HDCAM-SR-Equipment von Sony. Ab 2006 will der Sender eine Reihe von Premium-HDTV-Services anbieten und hat Sony mit der HD-Studioausstattung beauftragt. Demnach ist Sony der Hauptvertragspartner für die Gestaltung der neuen Studios am Hauptsitz des Senders in West-London. Außerdem wird Sony nach eigenen Angaben Equipment für die Edit- und Dubbing-Suites liefern, umfangreiche Professional Services bereitstellen und unter anderem auch die Mitarbeiter schulen.
Neben anderem Equipment sollen in den neuen Studios folgende Sony-Geräte eingesetzt werden: die neuesten Studiokameras des Typs HDC-1500, mehr als 60 HDCAM- und HDCAM-SR-MAZen, Multiformat-Produktionsmischer der MVS-8000A-Serie, das Effektgerät MVE-8000 sowie HD-LCD-Monitore.
Die Mitarbeiterschulungen sind laut Sony in drei Phasen gegliedert: Zunächst erhalten die Teilnehmer eine produktunabhängige Einführung in HD. In den darauf folgenden Workshops werden die technischen Aspekte von HD vertieft und danach finden detaillierte Schulungen in spezifischen Bereichen statt: von der Kameraarbeit über Set-Design und Maske bis hin zum Qualitätsmanagement. Über ein eigens von Sony entwickeltes Web-Interface haben mehrere Hundert Mitarbeiter von BSkyB jederzeit Zugriff auf die Schulungsmaterialien.
»Diese Partnerschaft ist wegweisend für Sony«, betont Ian Collis, Vice President Product Marketing, Professional Solutions bei Sony Europe. »Wir sind sehr glücklich darüber, der wichtigste Vertragsnehmer bei der Errichtung der Sky-HD-Studios zu sein.«

JVC: HDV für Profis
Dass man bei JVC das Format HDV als absolut profi-tauglich ansieht, das machte das Unternehmen schon im Vorjahr klar, indem es zwei auf Profi-Ansprüche abgestimmte HDV-Camcorder-Prototypen zeigte. Das damals gezeigte Konzept eines klassischen, großen Schulter-Camcorders wird weiter verfolgt, aber JVC stellt zur NAB2005 mit dem GY-HD100 einen Intermediate-Camcorder vor, der auf sehr große Publikumsresonanz stieß.
Der GY-HD100 ist ein kompakter Schulter-Camcorder mit Wechselobjektiv und einem HDV-Laufwerk. Er arbeitet mit drei 1/3-Zoll-CCDs, was zumindest derzeit in der Praxis die Objektiv-Auswahl einschränkt, denn es gibt außer dem mitgelieferten Fujinon-Objektiv gar nicht so viele Objektive für 1/3-Zoll-Camcorder. Dennoch bringt ein Wechselbajonett natürlich mehr Flexibilität, denn es erlaubt auch den Einsatz von diversen Adaptern.
Der GY-HD100 beherrscht 24P-Aufzeichnung und bietet die Möglichkeit, nicht nur auf Band, sondern auch auf Harddisk auf zu zeichnen. Auch bei der HDV-Aufzeichnung ist der HD100 flexibel: Als Aufzeichnungsformate stehen im HDV-Modus 720P/25, 720p/24 und 720p/30 sowie im DV-Modus 576i/50 und 576p/25 in 16:9 oder 4:3 zur Verfügung. Noch im Spätsommer 2005 will JVC den Camcorder zu einem Preis unter 6.000 Euro ausliefern.
Der GY-HD100 bildet zusammen mit einem passenden Recorder den Grundstock für eine neue Gerätefamilie von JVC: ProHD. Als nächstes Gerät soll in dieser Familie der GY-HD7000 kommen ein mit drei 2/3-Zoll-CMOS-Chips ausgerüsteter HDV-Camcorder.

Panasonic: Kein HDV, aber 1080i
HDV-Geräte will Panasonic nicht anbieten, das Unternehmen setzt dagegen in der HD-Akquisition weiterhin auf DVCPROHD. Perspektivisch soll auch die HD-Akquisition mit dem Festspeichermedium P2 realisiert werden: Der Camcorder AG-HVX200 zeigt wie das aussehen kann. Auch im D5-HD-Format soll es später einmal einen bandlosen Camcorder geben.
Verfügbar sind bei Panasonic nun auch erste 1080i-Geräte, wobei der Hersteller Wert darauf legt, dass dies keineswegs als Abkehr von 720p zu verstehen sei, sondern lediglich als Ergänzung der Produktpalette, weil der Markt momentan auch bei Panasonic 1080i nachfrage.

Was bringt die Zukunft?
Die bandlose Zukunft ist in der ersten Stufe schon bei den deutschen Sendern eingezogen. Dass die bandlose Akquisition funktioniert, haben die Hersteller bewiesen. Die größere Herausforderung für die Anwender stellt aber der Übergang des Materials von der Akquisition in die weitere Bearbeitung und in die Archivierung dar. Hier gilt es zweifellos noch viele Fragen zu klären – etwa auch bei den Stichworten MXF-Implementierung und Metadaten. Bis die Möglichkeiten der bandlosen Systeme wirklich auf breiter Front und mit der wünschenswerten Tiefe genutzt werden, dürften noch etliche Jahre ins Land ziehen. Ein Anfang ist gemacht – und wie mit HD verhält es sich auch mit der bandlosen Akquisition: Die Technologie kommt ohnehin – die Frage ist nur, wie schnell sie adaptiert wird.

Weitere Infos
Mehr zu P2 und XDCAM finden Sie in Tests des Equipments, die bei www.film-tv-video.de bereitstehen: P2-Test, XDCAM-Test. Weitere Einzelheiten zu Camcordern und Recordern enthält ein weiterer Messereport zur NAB2005.

Downloads zum Artikel:

T_0705_NAB_Formate.pdf

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