Broadcast, Top-Story: 21.12.2007

HDTV kostet »richtig, richtig Geld«

Die Berliner Regionalgruppe der Fernseh- und Kinotechnischen Gesellschaft (FKTG) befasste sich Ende November 2007 mit dem Stand der Vorbereitungen zur HDTV-Einführung bei den öffentlich-rechtlichen Sendern — aus verschiedenen Aspekten. Neben einer Auswertung des HDTV-Tests der ARD zur IFA2007 wurden auch weitere Themen angesprochen, wie etwa Anforderungen an Profi-Flachdisplays und eine Einschätzung zur Problematik der Kaskadierung von Formaten, Abtastrastern und Kompressionsalgorithmen in Produktionsstrecken.

Zunächst eine Bestandsaufnahme: Bei den Investments in Studiotechnik und Ü-Wagen wird sich mit dem Ende des Jahres 2007 das Verhältnis erstmals zugunsten von HD auf etwa 2 zu 1 verschieben, schätzt Dieter Höhler von Thomson Grass Valley. 2006 wurden demnach etwa 80 Prozent der Ü-Wagen mit HD-Technik oder zumindest hierfür vorbereitet geordert. 130 HD-Trucks sind laut Höhler in Europa im Einsatz, 40 im Bau: »Da passiert rasend viel«. Das derzeitige Nonplusultra im mobilen HD-Bereich stellt dabei der HD-Ü-Wagen MPC34HD von Euroscena dar: Ein mobiles Produktionszentrum im Wert von 16 Millionen Euro (drei Trucks für den Anschluss von 34 bis 50 Kameras, inklusive VIP-Raum und Bühne samt Edelholz-Interieur). Ganz anders dimensioniert und für einen anderen Zweck konzipiert: Der kompakte 6-Kamera-Ü-Wagen des SR dient zugleich als Regie für das bisher einzige HDTV-geeignete Studio einer deutschen Sendeanstalt. Im Studiobereich mit fest installierten Regien sieht es derzeit noch deutlich dünner aus: Plazamedia, Nobeo, Studio Adlershof und andere betreiben derzeit in Deutschland sieben solche HD-geeignete Studios. Laut Höhler wird erst in 50 von 970 europäischen TV-Studios hochaufgelöst produziert.

Rückblick: ARD-Showcase zur IFA

Anlässlich der Internationalen Funkausstellung (IFA) in Berlin hatte sich die ARD zur hohen Auflösung bekannt: Auf »EinsFestival« wurde ein Showcase mit 100 Programmstunden in HDTV (und simultan in SDTV) über Astra ausgestrahlt und der Workflow der Sendeabwicklung getestet. Allein die Nutzung eines für das Regionalfenster des WDR reservierten Transponders brachte einigen Aufwand, berichtet Dirk Lüdemann, beim Potsdamer ARD-Playout-Center mitverantwortlich für die technische Abwicklung des inhaltlich vom WDR getragenen Projekts. Die HD- und SD-Signale wurden in der Program Map Table (PMT) der DVB-S Service Informations unterschiedlich gekennzeichnet. Weiteren Mehraufwand bringt der zusätzliche Mehrkanalton. Die unterschiedlichen Kodierzeiten der SD- und HD-Bilder und Audio müssen am Ende der Arbeitskette angeglichen werden. Auch bei den Quellen sieht Lüdemann Arbeitsbedarf: Bei vorliegenden 16-mm-Abtastungen gebe es »Reserven«.

Im Playout diente eine HDCAMMAZ des Typs HDW-1800 von Sony als Quelle. Direkt in dieser Maschine wurden die zumeist in 1080i vorliegenden Programmteile des IFA-Testprogramms in 720p gewandelt — mit einem optional für diesen HD-Recorder verfügbaren Board.

Probleme gab es auf der Zuschauerseite: Die vom deutschen HD-Vorreiter Premiere zertifizierten Set-Top-Boxen sind demnach für das HD-Format 1080i optimiert. Der von der EBU empfohlene Bildstandard 720p50, in dem die IFA-Testsendungen der ARD erfolgten, werde nicht von allen Geräten befriedigend unterstützt. Ärger machten zudem auch einige proprietäre Lösungen für das De-Interlacing, wie sie in manchen Displays eingebaut sind.

Abschied von Analog-Sat und vom Zeilensprung

Im Februar 2010 zu den Olympischen Winterspielen wollen Das Erste und EinsFestival sowie das ZDF-Hauptprogramm in den HD-Regelbetrieb mit 720p50 gehen. Laut Jörg-Peter Jost, Bereichsleiter Zentraltechnik des HR, kostet der neue Produktionsstandard ARD und ZDF aber »richtig, richtig Geld«. Das muss neben Programmbeschaffung und Produktionstechnik in den Ausbau des ARD-internen Hybnet-Netzwerks und in die Simulcast-Ausstrahlung investiert werden. Um Bandbreite freizumachen und Kosten zu sparen, steht das Ende der analogen Sat-Verbreitung bei der ARD ab Anfang 2011 bevor. Für die HDTV-Verbreitung der 17 ARD-Programme werden sechs Sat-Transponder gebraucht. Die Mietkosten beziffert Jost mit je etwa 5 Millionen Euro pro Jahr. Mitte 2008 nimmt die ARD einen neuen Transponder in Betrieb, um zunächst die SD-Bildqualität zu verbessern. Dem ZDF stehe ein Sat-Transponder für drei Programme zur Verfügung. Im Kabel ist die Kapazitäts- und Kostensituation offenbar gänzlich unklar, per Antenne sei HDTV nur langfristig eine Option.

Jost einräumt ein, dass die Verfügbarkeit von aktuellem HD-Material und von HD-Programmvorrat gering sei. (Anmerkung der Redaktion: Wie man auch bei ProSiebenSat1 sehen kann, die nur etwa 20 Prozent der Primetime mit nativem HD-Material bestreiten). Eine Bremse für HDTV sieht Jost im Empfängerbestand, den er mit etwa 224.000 Stück vergleichsweise hoch beziffert. Ein weiterer Hemmschuh sei die zögerliche Digitalisierung des Kabels als wichtigstem Verbreitungsweg: 45 % aller TV-Haushalte sind demnach analog verkabelt, nur 8,7 % nutzen digitale Kabelprogramme am Erstgerät (laut Digitalisierungsbericht 2007 der Arbeitsgemeinschaft der Landemedienanstalten). Der verbraucherunfreundliche Kopierschutz HDCP der HD-Ready-Geräte könnte sich zudem als »Hemmer des Fortschritts« erweisen, führte Jost aus.

EBU-Anforderungen für Studio-Displays

Friedrich Gierlinger vom Institut für Rundfunktechnik (IRT) stellte die EBU-Empfehlung 3320 für Studiogeräte der neuen Display-Techniken, sowie Testergebnisse vor. »Grade 1« bezeichnet demnach nun »Messgeräte zur Bildbeurteilung« als Nachfolger der »Klasse-1«-Röhrenmonitore. Deren Elektronik darf keine Korrekturschaltungen enthalten, die Bildfehler auf der Display-Seite unterdrücken. Grade-1-Displays sind nach EBU-Empfehlung unter anderem in der Kamera- und Farbkontrolle und bei technischen Abnahmen einzusetzen. »Kontrollmonitore« der Qualitätsstufe »Grade 2« eignen sich laut EBU zur Vorschau, für Regiewände, MAZ-Plätze und ähnliche Einsatzbereiche mit geringeren Qualitätsansprüchen. Eine »gute Heimqualität« sei dagegen für »Beobachtungsmonitore« (Grade 3) an Kommentatorenplätzen, Tonregien und ähnlichen Punkten ausreichend.

Vom IRT für die EBU durchgeführte Tests haben einmal mehr die noch bestehende Überlegenheit professioneller Röhrenmonitore nachgewiesen — gerade mit Blick auf messtechnische Aufgaben. Nur bei einem Flach-Display das am IRT geprüft wurde, lag der Farbraum innerhalb der EBU-Vorgaben. Kein einziger erfüllte demnach alle Anforderungen der Referenz- und Kontroll-Klasse in Parametern wie Luminanz, Kontrastverhältnis, Farbreinheit, Farbtemperatur, Schwarzwert und Gamma.

Zur einheitlichen Abstimmung von Monitoren demonstrierte Branko Pezelj ein Tool von Penta Studiotechnik für deren HD2line-Monitore. Sämtliche relevanten Justierungen können laut Anbieter am PC vorgewählt und per Ethernet an die Monitore überspielt werden.

Produktionsketten

Mit einer »Mainstream-Plattform« für Studioproduktionen (im Gegensatz zu »High Quality Workflows für szenische bzw. Repertoire-Produktionen«) beschäftigte sich der Vortrag von Reinhard Knör vom IRT. Sein Ausgangspunkt: Die Vielfalt der für HDTV möglichen Abtastraster und angebotenen Kompressionen erhöht die Gefahr des Qualitätsverlustes gegenüber SDTV erheblich. Richtlinien für die »Kaskadierung« sollen Qualitätsstandards für Sendebetrieb und Programmaustausch sichern.

Einmal mehr erweist sich laut Knör das De-Interlacing als kritisch. Die Wandlung von Halb- in Vollbilder ist nicht nur für aktuelle HD-Produktionen in 1080i25, sondern auch für die Konversion digitaler SD-Archivalien (PAL, 576i25) unabdingbar. Knör begrüßt die EBU-Empfehlung für die durchgängige Verwendung von 720p50 — ein Formatmix hätte im Sendealltag der ARD nämlich »verheerende Folgen«. Beim »einfachen Farbangleich« sind mindestens 8 Bit Datentiefe im EBU-Modus 720p50 mit 4:2:2 für eine gute Wiedergabequalität auf Displays um 40 Zoll ausreichend. Die Qualität könnte mit diesen Eckwerten bis in die 7. Generation gehalten werden. Ein EBU-Dokument zur Kaskadierung in Produktionsstrecken will das IRT in Kürze vorliegen.

Für den »TV-Mainstream« empfiehlt Knör persönlich die neueren Formate XDCAM HD 422 mit 50 Mbps, AVC-Intra und JPEG2000, jeweils mit 100 Mbps. »Bemerkenswert« gut bei der Bearbeitung habe das proprietäre Format DNxHD von Avid abgeschnitten: Auf dem großen Monitor seien bis zur 7. Generation fast keine Verluste sichtbar. Beim Vergleich verschiedener Codecs mit Voll- und Halbbildern schneidet das 720p50 Format nach Angaben von Knör nicht nur wegen der einfacheren Kodierbarkeit, sondern auch hinsichtlich der Schärfe deutlich besser ab. Für den »mittelfristigen Abschied von interlaced« mittels Umstellung auf 1080p50 mit dem skalierbaren Datenformat JPEG2000 fehle allerdings noch die Infrastruktur: 3-Gbps-Interfaces als Ersatz für die bisherigen 1,5-Gbps-Strecken seien heute noch nicht in ausreichendem Umfang verfügbar.

Nicht zuletzt, so Knör, sollten die Produktionsstrecken wegen der zu erwartenden Qualitätsverluste tunlichst keine Konversionen aufweisen. Er empfiehlt, zu beachten »was die Geräte tun, bevor man große Produktionsketten aufbaut«. Denn wer richtig Geld anfassen muss, kann sich keine Fehlinvestitionen leisten.